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Pferderecht: Unaufklärbarer Unfall im Stall – Die Beweislast entscheidet

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat sich mit Urteil vom 14.09.2017 mit einem häufig auftretenden Problem zu befassen. In einem Stall war ein Pferd zu Schaden gekommen, ohne dass jemand gesehen hätte, wie dies passieren konnte.

Die Kläger nahmen den Beklagten als Betreiber einer Pferdepension auf Schadensersatz in Anspruch. Die Kläger sind Halter und Eigentümer des Pferdes "L", welches auf dem Stallareal des Beklagten eingestallt war. Die Regelung sah eine Haftungsbeschränkung vor. Gegen 10:00 Uhr morgens werden die Pferde im Stall des Beklagten u.a. zur Bewegung auf den Paddock verbracht. Am 05.05.2013 gegen 11:30 Uhr erhielt die Klägerin einen Anruf der bei dem Beklagten beschäftigten Reitlehrerin. Diese teilte mit, dass das Pferd lahme, was gegen 11:00 Uhr bemerkt worden sei. Das Pferd hatte zwei Schürfwunden von ca. 0,5-0,8 cm breite und ca. 20 cm Länge entlang der Wange und der Ganasche sowie eine Fellaufrauhung auf Höhe der Schulter. Das Pferd wies ferner Schwellungen des Fesselträgerursprungs und der Schulter, eine Auflockerung des Fesselträgerursprungs, eine frontale Oberarmfissur und Ellbogenfraktur auf.

Wie es zu den Verletzungen des Tieres kam, ist zwischen den Parteien umstritten. Die Kläger veranlassten umfangreiche Behandlungsmaßnahmen, wodurch Kosten entstanden, die die Kläger ersetzt verlangen. Das Verletzungsmuster deute auf einen massiven Sturz hin. Eine Verletzung an der Boxenwand oder ein Unfall auf dem Paddock sei gleichermaßen wie ein Unfall beim Festlegen auszuschließen.

Der Beklagte wendet insbesondere ein, für das Unfallgeschehen nicht verantwortlich zu sein. Die Verletzung sei durch Erschrecken oder einfaches Festliegen mit anschließendem Befreiungsversuch verursacht worden. Am Vorabend sei das Pferd ohne Verletzungen in die Box gebracht worden, beim Verbringen auf den Paddock habe sich die Lahmheit gezeigt.

Zutreffend ordnen die Kläger zunächst das vertragliche Rechtsverhältnis zum Beklagten als dem Verwahrungsrecht unterliegendes Vertragsverhältnis ein. Nach dem Vertrag schuldete der Beklagte der Klägerin neben der Überlassung einer Pferdebox u.a. auch die Fütterung des Pferdes und die Übernahme der Fürsorge und Obhut für das eingestellte Tier.

Im Hinblick darauf, dass sich das Pferd der Kläger in der Zeit zwischen dem 27.4.2013 abends und dem 28.4.2013 morgens in den Stallungen bzw. auf dem Gelände des Beklagten schwere Verletzungen zugezogen hat, ist von einer von ihm gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu vertretenden und den Schaden verursachenden Pflichtverletzung auszugehen. Das ist entgegen der vom erstinstanzlich zuständigen Landgericht Marburg im mit der Berufung angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung auch unter Berücksichtigung des Umstandes anzunehmen, dass nach dem Vorbringen der Parteien und nach der im ersten Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme ungeklärt geblieben ist, wie sich das Pferd der Kläger die Verletzungen zugezogen hat, d.h., was schadensursächlich war. Zwar hat grundsätzlich der Gläubiger eines Schadensersatzanspruchs wegen einer Vertragspflichtverletzung darzulegen und zu beweisen, dass der Schuldner eine ihm aus dem Schuldverhältnis obliegende Pflicht verletzt hat und diese für den entstandenen Schaden ursächlich war. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, hat sich der Schuldner über den Wortlaut des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB - der eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Vertretenmüssen der Pflichtverletzung bestimmt - hinaus sich nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten, sondern muss auch darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Gefahrenbereich liegen. Diese Grundsätze gelten auch für Pferdepensions- und Betreuungsverträge. Da sich das Pferd der Kläger die Verletzungen zugezogen hat, während es sich, wie ausgeführt, in der alleinigen Obhut und im alleinigen Verantwortungs- und Gefahrenbereich des Beklagten befand, hätte es demgemäß ihm oblegen, den entsprechenden Entlastungsbeweis zu führen. Das ist ihm indes nicht gelungen. Der Entlastungsbeweis ist nämlich regelmäßig nur dann erbracht, wenn der Verwahrer die Ursache der Beschädigung der ihm in Verwahrung gegebenen Sache nachweist und dartut, dass er diese nicht zu vertreten hat oder wenn er die Ursachen wahrscheinlich macht und beweist, dass er hierfür nicht einzustehen hat. Nach dem Ergebnis der vom LG und vom OLG im Berufungsverfahren ergänzend durchgeführte Beweisaufnahme lässt sich jedoch nicht feststellen und ist demgemäß offengeblieben, wie sich das Pferd der Kläger die Verletzungen zugezogen hat bzw. worauf diese zurückzuführen sind. Dahingehende Angaben konnten weder die im ersten Rechtszug vernommenen Zeuginnen noch die im vorliegenden Berufungsverfahren ergänzend vernommene Zeugin machen. Auch der Sachverständige Dr. med. vet. S konnte ausweislich seines im ersten Rechtszug erstatteten schriftlichen Sachverständigengutachtens keine konkreten Feststellungen zur Ursache der beim Pferd der Kläger aufgetretenen Verletzungen machen. Nach seinen Ausführungen lassen die festgestellten Verletzungsmuster nicht nur, d.h. zwingend, den Schluss zu, dass sich das Pferd die Verletzungen aufgrund eines massiven Sturzes in der Boxengasse, an der Boxenwand oder durch einen Unfall auf dem Paddock zugezogen hat, sondern gleichermaßen kommt ein Unfall beim sogenannten "Festlegen" des Pferdes, also eine allein auf die dem Pferd innewohnende Tiergefahr zurückzuführende Verletzung in Betracht und kann nicht ausgeschlossen werden. Es lässt sich mithin aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen nicht feststellen, ob die Verletzung des Pferdes auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten zurückzuführen ist oder Folge der dem Pferd innewohnenden Tiergefahr. Der Beklagte hat damit weder nachgewiesen, worauf die Verletzungen des Pferdes zurückzuführen sind, noch hat er auch den Nachweis geführt, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Infolge der Pflichtverletzung des Beklagten ist den Klägern auch der mit der vorliegenden Klage geltend gemachte Schaden entstanden.

Dies hatte die erste Instanz noch diametral anders gesehen.

Soweit der Beklagte die von den Klägern aufgewendeten Kosten betreffend die Behandlung und medikamentöse Versorgung des Pferdes bestritten hat, handelt es sich nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. med. vet. S um Aufwendungen im Rahmen des Maßnahmenkataloges zur Behandlung von Verletzungen, wie sie beim Pferd der Kläger aufgetreten sind. Gleichwohl hat es der Beklagte bei seinem pauschalen Bestreiten der einzelnen Schadenspositionen belassen, das damit unbeachtlich ist.

Dagegen haben die Kläger nicht hinreichend dargetan und auch nicht den Nachweis geführt, dass neben der tierärztlichen Behandlung auch eine Behandlung des Pferdes durch eine Tierheilpraktikerin erforderlich war; so dass die von ihnen hierfür aufgewendeten Kosten nicht erstattungsfähig sind.

Die Klägerin hat darüber hinaus gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz bzw. Erstattung weiterer von ihr aufgewendeten Tierarztkosten. Dabei handelt es sich um tierärztliche Behandlungskosten, die die A Versicherungs AG der Klägerin als Versicherungsnehmerin einer bei ihr für das Pferd abgeschlossenen Tierversicherung erstattet hat.

© Rechtsanwalt und Mediator Frank Richter 2011